
Anfänge und Enden
Anfang. Wie das? Ich dachte ich mir, ich schreibe über Anfänge und Enden. Es sind in Texten, Gesprächen und Musik die magischen Momente. Es sind die, die uns in Erinnerung bleiben. Ein letzter Satz in einem Buch bleibt lange hängen und bedarf deswegen besonderer Aufmerksamkeit. Anfänge sind ebenso wichtig; der uninformierte Rezipient bekommt dadurch die ersten Informationen und hat dann ein Bezugsfeld, aufgrund dessen er das Folgende bewertet und versteht. Es ist sehr schwer, Anfänge und Enden zu finden! Zumindest für die meisten Leute. Wie kann man es schaffen, sie zu finden? Der Komponist Richard Strauss hat zu Schlüssen einmal gesagt:
„Es ist schwer, Schlüsse zu schreiben. Beethoven und Wagner konnten es. Es können nur die Großen. Ich kann’s auch.“Ha. Selbstbewusstsein scheint also zumindest bei den Großen wichtig zu sein. Ich habe jedenfalls keine Antwort darauf, wie man etwas richtig beginnt oder abschließt. Was ich habe, sind Beispiele. Zurzeit lese ich „Narziß und Goldmund“ von Hermann Hesse und er beginnt mit einer Bombe von Einleitungssatz, bei dem es um einen Kastanienbaum geht. Er geht so:d
„Vor dem von Doppelsäulchen getragenen Rundbogen des Klostereinganges von Mariabronn, dicht am Wege, stand ein Kastanienbaum, ein vereinzelter Sohn des Südens, von einem Rompilger vor Zeiten mitgebracht, eine Edelkastanie mit starkem Stamm; zärtlich hing ihre runde Krone über den Weg, atmete breitbrüstig im Winde, ließ im Frühling, wenn alles ringsum schon grün war und selbst die Klosternußbäume schon ihr rötliches Junglaub trugen, noch lange auf ihre Blätter warten, trieb dann um die Zeit der kürzesten Nächte aus den Blattbüscheln die matten, weißgrünen Strahlen ihrer fremdartigen Blüten empor, die so mahnend und beklemmend herbkräftig rochen, und ließ im Oktober, wenn Obst und Wein schon geerntet war, aus der gilbenden Krone im Herbstwind die stacheligen Früchte fallen, die nicht in jedem Jahr reif wurden, um welche die Klosterbuben sich balgten und die der aus dem Welschland stammende Subprior Gregor in seiner Stube im Kaminfeuer briet.“
Puh. Lang aber gut, oder? „Fremdartige Blüten, die mahnend und beklemmend herbkräftig riechen.“ Sowas muss man erstmal schreiben. Hesse war aber natürlich ein krasser Kerl und Narziß und Goldmund ist ein Weilchen her. Ein schöner, moderner Endsatz ist im letzten Harry Potter zu finden: „All was well.“
Ähm, Spoilerwarnung natürlich. Aber wer hätte nicht erwartet, dass es ein Happy End gibt? Doch finde ich wirklich, dass es ein toller letzter Satz für eine so umfassende Buchreihe ist. Es befriedigt den Leser oder die Leserin, die wahrscheinlich schon lange sehr involviert war und die sich nun am Ende dieses Abenteuers, dieser Reise in die Welt von Hogwarts befindet. Das Leeregefühl, direkt nachdem ein Buch abgeschlossen hat, ist schon schlimm genug. Da ist es doch schön, dass J.K. Rowling uns versucht, mit einem warmen Gefühl auszuhelfen. „All was well.“ Ja, alles gut.
Natürlich kann man Ende und Anfang auch konzeptionell gestalten. Ich habe hier das neue Testament herumliegen und habe mal geschaut, wie es dort aussieht. Ich war erstaunt, dass sich Matthäus wohl auch mit Anfängen und Enden beschäftigt hat. Der erste Satz nämlich geht so:
„Der erste Name und der letzte Name im Neuen Testament ist Jesus, was beweist, dass Jesus Christ das Thema und der Inhalt des Neuen Testaments ist.“
Find‘ ich klasse den Beweis.
Was mich angeht, habe ich eine Idee für einen Einleitungssatz. Wie wäre es mit:
„Und nun beschallen wir diesen Käse.“, verkündete Wampfler.
Macht doch Lust auf mehr, oder? Warum will Wampfler Käse beschallen? Außerdem beruht es auf einer wahren Begebenheit. Wer das nicht glaubt, kann es googlen. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich damit mit den Großen mithalten kann. Wir werden sehen.
Bei dem Gerede um Anfang und Ende darf man aber etwa anderes nicht vergessen. Der Figur Michael Scott aus der Serie „The Office“ wird einmal mit dem Trinkspruch „To beginnings and endings!“ zugeprostet. Er erwidert: „And to middles, the unsung heroes.“ Da hat er Recht. Die Mittelteile sind die unbesungenen Helden, ohne die weder ein Anfang noch ein Ende funktionieren würde. „All was well.“ wäre doch zum Beispiel im Vakuum ein ziemlich schwacher Endsatz, oder? Nur weil wir den Kontext kennen, funktioniert er.
Soweit aber erstmal von mir. Ich ende mit dem letzten Wort „Ende“, was beweist, dass Anfang und Ende Thema und Inhalt dieses Blogeintrags sind.
Ende.